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COMPETENCE
Ausgabe 01/17
COVER
ALTES ALS AUSGANG FÜR NEUES
Aus Altem Neues gewinnen – dieser Leit-
gedanke prägt Fächer wie die Archäologie
und Geschichte. Neues Material führt zu neu-
er Erkenntnis. Es sind aber vor allem auch
neue Fragestellungen, die den Fortschritt
im Fach vorantreiben. Und dies hat nicht sel-
ten auch Relevanz für den Blick auf unser
Heute.
Welche Ansätze von Grassroots Movements
gab es bereits in der byzantinischen Gesell-
schaft? Welche Mobilität herrschte innerhalb
von Byzanz, um bessere Bildungschancen
und Anstellungen zu bekommen? Und wie
agierte die mittelalterliche Weltkultur als
Drehscheibe zwischen europäischemWesten,
Nahem Osten und Asien? Diesen Fragen etwa
geht Rapp in ihremWittgensteinprojekt nach:
„Es sind Fragen mit starkem Bezug zu heute,
die uns auch für den Umgang mit aktuellen
Problemen durchaus wichtige Denkanstöße
geben können.“
„SCHRITT FÜR SCHRITT“
Wie kommt die Byzantinistin zu neuen Frage-
stellungen? Ein Schritt führe zum nächsten,
lacht Rapp. Bester Beleg ist ihre persönliche
Chronik von Forschungsthemen. Die Behand-
lung eines Themas stoße eine neue Tür auf,
dann öffne sich die nächste. Manchmal ist es
auch die Forschung von KollegInnen, die zur
thematischen Auseinandersetzung einlädt.
„Same Sex Unions in Premodern Europe“ – es
war ein provokanter Titel für ein Geschichts-
buch, welches der US-Historiker John Boswell,
ein Experte auf dem Gebiet für das christliche
Europa, 1994 vorlegte. Der Professor der Yale
University hatte diesen durchaus bewusst so
angelegt, stand er doch auch für ein persön-
liches Anliegen.„Boswell hatte sich mit ritueller
Verbrüderung beschäftigt und argumentiert, es
handle sich dabei um ein christliches Gay-
Marriage-Ritual“, erzählt Rapp, die über 20 Jahre
in den USA forschte: „Mir wurde damals deut-
lich, dass es auch andere Möglichkeiten gibt,
Neue Frage-
stellungen können
nicht aus dem
Stand entstehen.
Man muss den
WissenschafterInnen
den Raum lassen,
sie zu entwickeln.
Claudia Rapp