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COMPETENCE
Ausgabe 01/17
ROUND TABLE
z.B. Universitäten anschaue, die prozentuale Ein-
werbungen haben müssen: Die ForscherInnen
sind nur noch getrieben. Unser System gibt uns
zum Glück noch die Möglichkeit des Rückzugs.
Es wird aber allgemein immer weniger respek-
tiert, dass Neues zu denken auch Ruhe braucht.
Welche Rolle spielt Interdisziplinarität
für die Innovation?
FAISTAUER:
In meinem Fach, Deutsch als
Fremd- und Zweitsprache (DaF/DaZ), eine
große, wenn ich qualifizierten Unterricht an-
bieten will, muss ich mich auch mit anderen
Forschungen auseinandersetzen. Die Studie-
renden bringen aus den anderen Fächern
neue Zugänge in den eigenen Forschungs-
und Lehrkontext zurück. Ein anderes Beispiel:
Vor einigen Jahren wurde an unserem Fach-
bereich eine DaZ-Professur eingerichtet, die
es uns ermöglicht migrationspädagogische
Perspektiven stärker zu berücksichtigen. Das
war und ist eine unglaubliche Bereicherung.
KOLLAND:
Interdisziplinarität ist Teil einer
Innovationsorientierung. Der Blick über Fä-
chergrenzen hinweg bringt neue Gedanken
ins eigene Fach. Für Studierende kann das
aber mitunter auch schwierig sein, vor allem
wenn beim Berufseinstieg die Frage „Wer bin
ich eigentlich?“ wichtig wird. Viele Stellen sind
nach Disziplinen ausgeschrieben und der
Wissenschaftsbetrieb, z.B. Begutachtungs
systeme bei Publikationen, ist im Großen und
Ganzen immer noch disziplinär ausgerichtet.
gung für Innovation, das würde uns in den
Sozialwissenschaften guttun. Was sich auf
bestimmte Formen der Innovation jedoch un-
günstig auswirken kann, ist die zunehmende
Verwertungsorientierung. Das mag durchaus
antreiben, in bestimmte Richtungen, aber
manche Dinge werden ausgeblendet.
FAISTAUER:
Der Anspruch, stetig Neues zu
schaffen, kann auch ins Gegenteil umschla-
gen. Man kann nicht am laufenden Band
innovativ sein.
GLADE:
Darum würde ich gerne entschleu-
nigen. Es sollte Aufgabe der Universität sein,
diese gewisse Ruhe zu gewährleisten, nicht
noch mehr Output, noch mehr Publikationen,
noch mehr Drittmittel. Das ist ein zweischnei-
diges Schwert.
KOLLAND:
Die Universitäten sollten mehr
und längerfristig riskieren, mehr Vertrauen ha-
ben. Wir sollten uns nicht von Rankings und
dergleichen in unserem Selbstbewusstsein be-
hindern lassen. Oft verändert man zu schnell,
aber Wachsen braucht auch Zeit.
KADRIC-SCHEIBER:
Ich denke, wir sind uns
alle einig, dass gute Arbeitsbedingungen ein-
fach sehr wichtig sind. Das kann mehr Zeit für
die Forschung sein, ein gutes Sekretariat, ein
bestimmtes technisches Gerät, Angebote zur
Teamentwicklung. Ich möchte das, was ich
Neues erdenke und beginne, in ein solides
Forschungsprojekt umwandeln können.
GLADE:
Mein ehemaliger Professor hat im-
mer gesagt: Es braucht das Standbein und das
Spielbein. Man muss seinen disziplinären Kern
haben. Dann kann man hinüberschauen in
andere Disziplinen, aber auch hinaus aus der
Wissenschaft in die Praxis, und zusammen
wirken. Ich bin fest überzeugt, dass wir die
heutigen Probleme auf unserer Welt nicht aus
einer Disziplin heraus lösen können, weder die
Migrationsströme noch das Alter oder meine
Naturkatastrophen.
Was brauchen Sie, um innovativ zu sein?
FAISTAUER:
Wir werden fürs Denken be-
zahlt, das ist nicht so schlecht. Rückblickend
hätte ich gerne weniger Verwaltungstätigkeit
gehabt, die mir zugegebenermaßen großen
Spaß gemacht hat, aber ohne sie hätte ich
wahrscheinlich mehr und besser geforscht.
GLADE:
Wobei ich nicht so weit gehen
würde und fordern, wir müssen jetzt einen
Profi-Institutsvorstand aus der Wirtschaft ho-
len, wie das im angelsächsischen Raum gang
und gäbe ist – ein Chaos, weil Wissenschaft
anders funktioniert als ein Industriebetrieb.
FAISTAUER:
Was ich meine, ist das symbo-
lische Kammerl, das es eben auch braucht, in
das ich mich zurückziehen und Neues denken
kann, Zeit zur Verfügung zu haben, die nicht
von Papieren und organisatorischen Proble-
men ausgefüllt ist.
GLADE:
Natürlich brauche ich auch Geld.
Und es wäre mir lieb, wenn der Aufwand, es
zu beantragen, geringer wäre. Ich war vor
kurzem in die Evaluierung eines Schweizer
Forschungsinstituts eingebunden, wo Budget
praktisch keine Rolle spielt, und es ist un-
glaublich, wie der dortige unbürokratische
Zugang zu Mitteln die Produktivität antreibt.
KOLLAND:
Konkurrenzdenken halte ich
nicht für besonders belebend, aber ein stär-
kerer Fokus auf Teamarbeit als große Anre-
Vielleicht birgt
die Weisheit
Elemente der
Innovation
in sich.
Franz Kolland
Der Anspruch,
stetig Neues zu
schaffen, kann
auch ins Gegenteil
umschlagen.
Renate Faistauer