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COMPETENCE
Ausgabe 01/17
SPECTRUM 2
ehr als 90 Prozent der Phar
mazeutInnen nehmen nach
ihrer Ausbildung Jobs in öf
fentlichen Apotheken oder
Krankenhausapotheken an“,
sagt Martin Kratzel. Der Professor vom De
partment für pharmazeutische Chemie an der
Universität Wien sieht die Ursache dafür vor
allem in den nach wie vor relativ guten Ver
dienstmöglichkeiten. So liege das Einkom
men der heimischen PharmazeutInnen, die in
Apotheken arbeiten, im Schnitt auch deutlich
über jenem in Deutschland. Die Möglichkeit
zu Teilzeitdiensten macht die Arbeit in Apo
theken zusätzlich attraktiv.
Bis jetzt gab es auch genug Stellen für die
Pharmazie-AbsolventInnen, doch: „Die Zeiten
ändern sich“, meint Kratzel. Die wachsende
Studierendenzahl in der Pharmazie und die
Situation am Arbeitsmarkt lassen die Absol
ventInnen zunehmend in neuen Perspektiven
denken und ein breiteres Spektrum an Tätig
keitsfeldern in Betracht ziehen. Der Universi
tätslehrgang „Pharmazeutisches Qualitäts
management“ bietet bereits seit 2005 eine
Alternative zur Tätigkeit in der Apotheke.
UNTER STRENGEN AUFLAGEN
Der Standort Österreich mag für die Pharma
branche durch ein paar Abzüge von Unterneh
men in den vergangenen Jahren etwas einge
büßt haben. Dennoch sieht Lehrgangsleiter
Kratzel die Branche nach wie vor gut aufge
stellt: Die Bandbreite an Firmen sei groß, von
einigen sehr großen bis hin zu vielen kleinen.
Ob klein oder groß: Die Firmen sehen sich mit
einer zunehmenden Fülle an Auflagen kon
frontiert. Der Pharmabereich „ist sicher eine
der am strengsten regulierten Branchen“, sagt
Kratzel. Nur so könne es gelingen, die hohe
Qualität von Arzneimitteln sicherzustellen.
Seit der Umsetzung einer entsprechenden
EU-Richtlinie im Jahr 2005 braucht jedes
Pharmaunternehmen in Österreich eine soge
nannte „Sachkundige Person“. Sie hat die Ga
rantenfunktion für die Produktqualität nach
außen hin zu erfüllen. Darüber hinaus über
nimmt die „Sachkundige Person“ die zentrale
Funktion in Qualitätssicherung und Qualitäts
management.
QUALITÄTSMANAGEMENT IM
GESAMTEN PRODUKTIONSPROZESS
Den Job erfüllen bisher in Österreich vor
allem „BiologInnen, MedizinerInnen, Chemi
kerInnen sowie AkademikerInnen, die ein der
Pharmazie fachnahes Studium absolviert
haben“, so der wissenschaftliche Leiter des
Universitätslehrgangs. Dabei seien Pharma
zeutInnen mit ihremWissen über Arzneistoffe
prädestiniert für die Position als „Sachkundige
Person“ – und sehr gefragt.
Qualitätsmanagement heißt nicht nur, dass
M
man das endgültige Produkt auf Qualität
überprüft. Man muss vielmehr die gesamten
Produktionsprozesse so abstimmen, dass
man ein hochqualitatives Produkt überhaupt
erzeugen kann. Die Apothekentätigkeit sei
heute vor allem eine beratende Tätigkeit, sagt
Kratzel: „Mit den Fertigarzneimitteln hat sich
die Welt der ApothekerInnen sehr verändert.
In der Industrie geht es um etwas ganz an
deres: Man muss verantwortlich zeichnen,
dass die Qualität passt.“ Sein Fazit:„Es handelt
sich um zwei verschiedene Welten. Das war
auch der Auslöser für die Planung des Aufbau
lehrgangs. Er ist sehr praxisorientiert konzi
piert und soll den AbsolventInnen des Phar
maziestudiums den Einstieg in die Parallelwelt
‚Pharmaindustrie‘ erleichtern.“
DAS TOR ZU EINER
ANDEREN WELT
PharmazeutInnen arbeiten hierzulande vor
allem in Apotheken, nur wenige zieht es in
die pharmazeutische Industrie. Einiges spricht
dafür, dass sich dies ändern wird.
Der postgraduale Grundlehrgang
„Pharmazeutisches Qualitätsmanage-
ment“ an der Universität Wien bildet
seit zehn Jahren entsprechend den
gesetzlichen Auflagen Nicht-Pharma-
zeutInnen aus fachnahen Bereichen aus.
Die AbsolventInnen sind dazu befähigt,
die Position der „Sachkundigen Person“
in Unternehmen zu bekleiden.
Der gleichnamige Aufbaulehrgang
kann in drei Semestern berufsbegleitend
absolviert werden und schließt mit
dem akademischen Grad „Master of
Science (MSc)“ ab. Die Weiterbildung
richtet sich an AbsolventInnen der
Pharmazie sowie des Grundlehrgangs,
die sich auf den Industriebereich
spezialisieren wollen.
QUALITÄTS-
SICHERUNG
Der Pharma-
bereich ist
sicher eine der
am strengsten
regulierten
Branchen.
Martin Kratzel