Moor-, Wald-, Bergerlebnis – eine vielseitige Woche rund um das Hochkar

Ein Nachbericht zur Pharmakobotanischen Exkursion 2016 verfasst von Gudrun Englmaier, Anna Huber, Elisabeth Klutz, Maria Matzinger, Alexandra Walter.

Die diesjährige Pharmakobotanische Exkursion führte uns in die Göstlinger Alpen, einem Teil der nördlichen Kalkalpen an der niederösterreichisch-steirischen Grenze, die mit dem 1.808 m hohen Hochkar etwas von alpiner Vegetation versprechen ließ. Am Start war wiederum ein interdisziplinäres Teilnehmerfeld aus Pharmazeuten, Ärzten, Chemikern, Lehrern, Studenten und weiteren Botanikbegeisterten, auf das unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Dr. Johannes Saukel und ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Glasl-Tazreiter eine arten- und wanderreiche Woche wartete.

Im direkt an der Hochkar-Alpenstraße gelegenen Hotel Fahrnberger fanden wir ein optimales Quartier, das uns nicht nur mit ausgezeichnetem Essen versorgte, sondern auch ideale Räumlichkeiten für unsere abendliche Pflanzenbestimmung bot.

Gleich am ersten Tag stand eine Almwanderung Richtung Ringkogel auf dem Programm, bei der wir uns langsam der "Göstlinger" Flora näherten – mit unterschiedlichem Ergebnis. Während für einige Experten Geum rivale, Rhodiola rosea und Saxifraga rotundifolia keine Besonderheiten mehr darstellten, waren wir Studierenden mit der neuen Vielfalt fast überfordert. Die Weiderasen und angrenzenden Hochstaudenfluren boten einen Reichtum an prächtigen Dolden- und Korbblütlern, Hahnenfuß- und Rosengewächsen. Ob Meum athamanticum, Peucedanum ostruthium oder Alchemilla alpina – fast überall konnte über traditionelle Anwendungen berichtet werden. Besonders interessant war die wissenschaftliche Diskussion über Prunella vulgaris, einer Lamiaceae mit großem pharmazeutischen Potential. Die zerklüftete Landschaft und auch das Wetter zeigten sich von ihrer schönsten Seite. Die Tour verlief auf Steigen, Schotterstraßen und in unwegsamem Gelände begleitet von Rumex alpinus, Veratrum album, Trollius europaeus und Pinus mugo.

Am nächsten Tag starteten wir vom Steinbachtal aus in Richtung Ybbstaler Hütte unter dem Motto "der Weg ist das Ziel". Wir durchwanderten einen Mischwald in dem wir unsere Artenkenntnis erweitern konnten. Die bachbegleitende Flora war vertreten durch Aruncus dioicus, Filipendula ulmaria, Astrantia major und Sanicula europaea. Prof. Saukel wurde nicht müde, auch zum wiederholten Male die morphologischen Unterschiede der Blätter zwischen Tussilago farfara und den Petasites-Arten (P. albus, P. hybridus, P. paradoxus) zu erklären. Tiefer im Wald bot sich eine Auffrischung der Merkmale verschiedener Laub- und Nadelhölzer an.

Das Leckermoor, angeblich eines der größten und schönsten Hochmoore Niederösterreichs, befand sich in unmittelbarer Nähe unserer Unterkunft. Ein 11 km langer Fußmarsch trennte uns von dieser Besonderheit, die wir für Drosera rotundifolia und Co gerne auf uns nahmen. Schon der Weg dorthin, durch montane Auwälder und vorbei an artenreichen Wiesen, bot einige botanische Leckerbissen: Euphrasia sp., Valeriana tripteris und Equisetum hyemale. Prof. Saukel erläuterte die verschiedenen ökologischen Kreisläufe, erklärte unterschiedliche Überlebensstrategien von Individuen auf sauren Böden und weihte uns in die Systematik der Moose ein. Die Zeit verging, der Hunger wurde größer und mit zunehmend abhandenkommender Orientierung stieg auch die Ungeduld, ins Moor zu gelangen. Am frühen Nachmittag erreichten wir aber tatsächlich noch unser Ziel. Nach einer verdienten Mittagspause besichtigten wir das in einem beeindruckenden Kar gelegene Moor, welches typische Moorpflanzen, darunter Andromeda polifolia, Vaccinium oxycoccos und Eriophorum-Arten barg.

Die Tage vergingen – die Beine wurden müder und das sehr stabile Wetter ließ unsere Hoffnungen auf einen Ruhetag schwinden. Per Bus wurden wir zum Ausgangspunkt unserer vierten Wanderung gebracht: Lunz am See. Von dort ging es zunächst recht bequem auf einer Forststraße vorbei am Mittersee in das vom Gletscher geformte U-Tal. Nach Verlassen des Talkessels ergab sich ein idyllisches Bild: Aus dem vor uns gelegenen Obersee erhob sich eine grüne Insel mit einer Fichtengruppe, dahinter thronte das Dürrensteinmassiv. Im Anschluss an die Mittagspause, die einige zum Abkühlen im frischen Wasser nutzten, umrundeten wir auf verwachsenen Pfaden den einsamen Bergsee und genossen den Anblick von Lycopodium-Arten, Adenostyles alliariae und Potentilla palustre.

Der vorletzte Tag stand unter dem Motto "Botanisieren auf der Schipiste mit Gipfelsieg". Am Hochkar versuchte Prof. Saukel uns das Bestimmen mittels Exkursionsflora näherzubringen. Es funktionierte anhand der Beispiele Valeriana montanum und Salix glabra erstaunlich gut. Prof. Glasl packte ihre Formeln aus und referierte über die Inhaltsstoffe von Hypercium- und Valeriana-Arten. In einem kurzen Exkurs präsentierte sie uns auch die Besonderheiten des Fichtenfaulpechs – ein Thema, das uns die gesamte Woche beschäftigte. Wir erfuhren, dass Picea abies sehr unterschiedliche Harzausscheidungen produzieren kann, und dass nur eine weiche, weißlich bis gelbliche und stark duftende Ausscheidung als Faulpech bezeichnet wird. Nach den Vorträgen waren wieder unsere Muskeln gefordert, und wir erklommen den Gipfel des Hochkars.

Die Regenschauer am letzten Tag konnten uns nicht aufhalten – es war eine Tour zur Kitzhütte geplant. Unaufhaltsam versuchten wir unsere Artenliste zu erweitern: Chlorocrepis tenuifolia, Leontodon saxatilis, Cirsium eriophorum und Lithospermum officinale. Auf den Hängen neben der Forststraße konnten wir nochmals diverse Orchideen bewundern, die uns schon die ganze Woche begleiteten: Anacamptis pyramidalis, Cephalanthera rubra, Malaxis monophyllos, Epipactis atrorubens etc. Einen kurzen Regenguß warteten wir bei Kaffee und Kuchen in der Hütte ab, bevor wir den Abstieg antraten, der vor allem für die Faulpechsammler sehr ergiebig war. Ein Thema, auf das wir die gesamte Woche warteten, wurde von Prof. Saukel nun auch endlich erläutert: die Komplexheit des Achillea millefolium-Aggregates.

Sensation der Woche war sicherlich die fruchtende Hesperidis matronalis, mit deren Bestimmung sogar Prof. Saukel zu kämpfen hatte: "Sieht aus wie ein Schachtelhalm mit Greiskrautblättern". Diese Aussage brachte uns Studierenden zu der Idee, am letzten Abend ein paar neu kreierte Arten zum "Bestimmen" zu präsentieren. Durch Zusammensetzen verschiedener Pflanzen ergaben sich Neukombinationen wie "Laserstern" (Laserpitium + Astrantia). Mit Bravour meisterten die Professoren die Aufgabe und das Abschlussgeschenk konnte überreicht werden.

Wie man sieht, kam auch der Spaß nicht zu kurz: Gute Gespräche während der "Forststraßenhatscher", kabarettreife Bemerkungen beim Pflanzenbestimmen und viele weitere lustige Momente machten diese Woche zu einem unvergesslichen Erlebnis. Denn neben der Erklärung all der botanischen Unterschiede zwischen den gelben Cichorioideen-Gattungen Leontodon, Crepis und Hieracium, galt es eine weitere wichtige Frage zu diskutieren: Bezeichnet man die berühmte Süßigkeit von Manner als Mannerschnitten oder Mannerwafferln? In diesem Zusammenhang auch ein Dankeschön an Prof. Kubelka, der uns per Post reichlich damit versorgte. Danke an Prof. Saukel und Prof. Glasl-Tazreiter für diese lehrreiche Woche – bis zum nächsten Jahr!