uniMind|Workshop

"Städtische Ökonomie als Wachstumsmotor? Trends und Herausforderungen"

MMag. Dr. Robert Musil
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

Mag. Dr. Peter Mayerhofer
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO)

Zukünftige Wirtschaftsszenarien gemeinsam durchzudenken war Ziel des uniMind-Workshops zum Thema "Städtische Ökonomie als Wachstumsmotor? Trends und Herausforderungen" am 18. März 2015. 20 WissenschaftlerInnen und ExpertInnen aus der Praxis diskutierten unter der Anleitung von Robert Musil und Peter Mayerhofer, vor welchen Herausforderungen die städtische Ökonomie in den nächsten Jahren stehen wird und eruierten Entwicklungstrends, die sich schon heute nachzeichnen lassen.

Stadtwirtschaft in Bewegung

Ziel des Workshops war, mögliche Zukunftsentwürfe der Wiener Stadtökonomie bis zum Jahr 2030 zu diskutieren. In vier Arbeitsgruppen erarbeiteten die TeilnehmerInnen zukünftige Entwicklungslinien, diskutierten Handlungsansätze und entwarfen innovative Politikstrategien, um auf potentielle Szenarien zu reagieren.

Um dieses Gedankenexperiment auf fundierter Basis durchzuführen, vermittelte Peter Mayerhofer in einem kompakten Impulsvortrag entscheidende Prognosen, Daten und Triebkräfte der Wiener Stadtwirtschaft und kam zu einem klaren Fazit. Wien zeigt sich im Vergleich mit anderen europäischen Metropolregionen als äußerst Leistungsstark und Wettbewerbsfähig, ist jedoch gefordert, eine stark wachsende Bevölkerung in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Angesichts dieser Entwicklungen beurteilt der Wirtschaftsexperte eine Wirtschaftspolitik, die den Strukturwandel bewusst vollzieht, als notwendigen Wachstumsfaktor. Bereits heute lässt sich ein markanter Branchenwandel, geprägt von Deindustrialisierung und Tertiärisierung der Wirtschaftsstruktur sowie einer Verschiebung hin zu technologie- und wissensintensiven Branchen feststellen. Dieser Trend wird durch exogene Triebkräfte (wie etwa der Entflechtung von Produktion und Konsumtion und einer Fragmentierung der Wertschöpfungsketten) und endogene Ursachen (Vor- und Nachteile der urbanen Standortbedingungen wie die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitskräfte, hohe Informations- und Innovationsdichte gegenüber begrenzter Flächenverfügbarkeit und Ballungskosten) beschleunigt.

Interaktives Szenario-Spiel

Im Anschluss an den fachlichen Input der Workshopleiter kamen die 20 anwesenden TeilnehmerInnen zum Zug. In vier Gruppen eingeteilt waren Sie nun gefordert, auf Basis ihrer persönlichen Einschätzung, fachlichen Expertise und beruflichen Erfahrung vier mögliche Szenarien durchzudenken:

» die vier Szenarien im Überblick

Jede Gruppe sollte beurteilen, wie sich das jeweilige Szenario auf den Strukturwandel auswirken könnte (Beschleunigung oder Dämpfung des Wandels? Auswirkung auf einzelne Branchen?) und welche Konsequenzen sich im Weiteren für die ökonomische Dynamik, den regionalen Arbeitsmarkt, die soziale Disparität und die Handlungsfähigkeit der Politik ergeben würden. 60 Minuten lang wurde intensiv diskutiert, über Entwicklungen beraten und mögliche Einflussfaktoren gegeneinander abgewogen. Am Ende konnten vier detailliert ausgearbeitete Szenarien präsentiert werden, die mit programmatischen Titeln versehen wurden:

  • Szenario 1 "Verdammt zur Selbstgenügsamkeit": Protektionistische Tendenzen schwächen den Strukturwandel, die wirtschaftliche Integration nimmt ab. Während Arbeitslosigkeit und Einkommensdisparität sinken und das Gesundheitswesen und das Handwerk profitieren, gefährden geringe Investitionen in Technologie und Forschung eine dynamische Wirtschaftsentwicklung;
  • Szenario 2 "Beschleunigter Wandel": Der Wandel wird qualitativ und quantitativ beschleunigt, IKT und der Dienstleistungssektor profitieren, die internationale Orientierung stärkt High Potentials, Diversifizierung und Spezialisierung führen zur Entstehung neuer Branchen, Forschung, Start Ups, Consulting und Entwicklung gehen als Profiteure dieser Tendenzen hervor, allerdings nimmt die Disparität zwischen Angestellten und nicht-angestellten ArbeitnehmerInnen zu;
  • Szenario 3 "Post-Industrielle Insel": der wirtschaftliche Wandel wird entschleunigt, protektionistisches Umfeld mit gering qualifizierter Bevölkerung führt zu einer wenig anpassungsfähigen Wirtschaft mit klarer Binnenmarktausrichtung, davon profitieren produzierende Branchen während der Außenhandel leidet, parallel zu einer höheren Arbeitslosigkeit steigt die Zahl der Selbständigen und es kommt zu einem Überschuss an Fach-und qualifizierten Arbeitskräften, Tendenz zur Abwanderung aus den urbanen Zentren, Verteilungsgerechtigkeit leidet, der politische Einfluss wird als gering eingestuft;
  • Szenario 4 "Auf der Strecke bleiben": trifft eine freie Marktwirtschaft auf eine Bevölkerung mit geringem Potential, kommt der Strukturwandel zur Stagnation, wissensbasierte Branchen verlieren an Aufwind, während das Gesundheits- und Sozialwesen, der Tourismus sowie Hilfs- und Reinigungsbranchen profitieren, die Zahl der working poors, Teilzeitkräfte und Arbeitslosen nimmt zu, der Generationenkonflikt und Einkommensungleichheiten verschärfen sich, während Sozialausgaben steigen sinken die Steuereinnahmen, die Handlungsfähigkeit der Politik ist begrenzt;

Im Anschluss daran konkretisierten Peter Mayerhofer und Robert Musil aktuelle Strukturen und zu erwartende Tendenzen städtischer Wirtschaft im Industriesektor und im F&E-Bereich. Darauf aufbauend erarbeiteten die TeilnehmerInnen gemeinsam mit der Workshopleitung, wie sich jeweils Szenario II und Szenario III auf diese beiden Wirtschaftsbranchen auswirken könnten.

Am Ende des Tages verdeutlichte die intensive Arbeit an den Szenarien ein differenziertes Bild möglicher Trends und Tendenzen städtischer Wirtschaft. Die unterschiedlichen fachlichen Backgrounds der TeilnehmerInnen und die Expertise der Workshopleitung erlaubten, in unterschiedliche Richtungen zu denken, zu einer breiten Perspektivierung zu gelangen und dennoch gemeinsame Entwicklungslinien und mögliche Handlungsoptionen herauszuarbeiten.