Lehrgangsinhalte

Seit 1991 ist in Österreich eine zweiphasige Ausbildung zum*zur Psychotherapeut*in gesetzlich vorgeschrieben. Der erste Teil, das Psychotherapeutische Propädeutikum, vermittelt die allgemeinen Grundlagen. Dem folgt der zweite Teil, das Fachspezifikum, in dem sich die Ausbildungskandidat*innen eine spezielle Methode aneignen. Nach erfolgreichem Abschluss beider Ausbildungsschritte können Sie die Eintragung in die Psychotherapeut*innen-Liste beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beantragen. Dies berechtigt Sie offiziell zur Ausübung des Berufes als Psychotherapeut*in.

Das Psychotherapeutische Propädeutikum setzt sich aus einem theoretischen (765 Stunden) und einem praktischen Teil (550 Stunden) zusammen. Die theoretischen Inhalte umfassen die vier großen Psychotherapieschulen und ihre Menschenbilder, verschiedene Fachgebiete, unter anderem Psychologische Diagnostik, Psychiatrie, Forschungs- und Wissenschaftsmethodik, Ethik und Recht. Im Rahmen der praktischen Ausbildung müssen Sie ein psychosoziales Praktikum mit begleitender Supervision und darüber hinaus psychotherapeutische Selbsterfahrung absolvieren.


Vielfalt der psychotherapeutischen Ansätze

In Österreich werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt 23 verschiedene psychotherapeutische Ansätze (auch "Methoden" oder "Schulen" genannt) offiziell anerkannt. Der Lehrgang ergreift für keinen der verschiedenen Ansätze Partei, sondern macht es sich vielmehr zur Aufgabe: diese Vielfalt zu reflektieren und die TeilnehmerInnen in ihrem persönlichen Entscheidungsprozess zu begleiten, welche der therapeutischen Richtungen am besten zu ihnen passt. Der Lehrgang bereitet seine TeilnehmerInnen darin auf die spätere Wahl eines Fachspezifikums vor, in dem eine ausgewählte Methode erlernt wird.

Die psychotherapeutischen Ansätze werden nach vier Clustern geordnet: einem tiefenpsychologischen, einem humanistischen, einem systemischen sowie verhaltenstherapeutischen. Diese vier grundsätzlichen Ausrichtungen der Psychotherapieschulen sind ausdrücklich Teil des Curriculums. Anliegen ist es, deren Konzepte und ihre impliziten Menschenbilder herauszuarbeiten (A.1 Kurse) und ihre Umsetzung in der Psychotherapie zu reflektieren - etwa bei den Persönlichkeitstheorien (A.2), den Entwicklungstheorien (A.3), der Diagnostik (A.5) oder der Psychotherapie-Forschung (C Kurse).

Theorie (765 UE)

A.1 Einführung in die Problemgeschichte und Entwicklung der psychotherapeutischen Schulen

A.1.1 Tiefenpsychologische Konzepte (30 UE*)
A.1.2 Humanistische Konzepte (30 UE) 
A.1.3 Systemische Konzepte (30 UE) 
A.1.4 Lerntheoretische Konzepte (30 UE)

A.2 Persönlichkeitstheorien (30 UE)

A.3.1 Allgemeine Psychologie (30 UE) 
A.3.2 Entwicklungspsychologie (30 UE)

A.4 Rehabilitation und Sonder- und Heilpädagogik (30 UE)

A.5 Psychologische Diagnostik und Begutachtung (60 UE)
A.5.1  Psychologische und schulenspezifische Diagnostik und Begutachtung - Erwachsene (30 UE)
A.5.2 Psychologische Diagnostik und Begutachtung - Kinder und Jugendliche (30 UE)

A.6 Psychosoziale Interventionsformen (60 UE)
A.6.1. Theorie der Psychosozialen Interventionsformen (15 UE)
A.6.2. ExpertInnen aus dem Feld der Psychosozialen Interventionsformen (30 UE)
A.6.3. Psychosoziale Beratung als Kernintervention (15 UE)

B.1 Einführung in die medizinische Terminologie (30 UE)

B.2 Psychiatrie, Psychopathologie, Psychosomatik (120 UE)
B.2.1 Kinder- und Jugendpsychiatrie (30 UE)
B.2.2 (1) Grundlagen der Psychiatrie, Psychopathologie (30 UE)
B.2.2 (2) Spezielle Störungsbilder der Psychiatrie, Psychopathologie (30 UE)
B.2.3 Psychosomatik (15 UE)
B.2.4 Gerontopsychiatrie (15 UE)

B.3. Pharmakologie (45 UE)
B.3.1 Pharmakologie - Theorie (30 UE)
B.3.2 Pharmakologie - Praxis (15 UE)

B.4 Erste Hilfe in der psychotherapeutischen Praxis (15 UE)

C Forschungs- und Wissenschaftsmethodik (75 UE)
C.1 Statistik (15 UE)
C.2 Qualitative Forschung (15 UE)
C.3 Wissenschaftstheorie (15 UE)
C.4 Psychotherapieforschung (30 UE)

D Ethik (30 UE)

E Rahmenbedingungen für die Ausübung der Psychotherapie (90 UE)

E.1 Soziale Rahmenbedingungen (45 UE)
E.1.1 Berufskunde für PsychotherapeutInnen (15 UE)
E.1.2 Rahmenbedingungen der Gesundheitsförderung (15 UE)
E.1.3 Psychotherapieversorgung (15 UE)

E.2 Rechtliche Rahmenbedingungen (45 UE)
E.2.1 Psychotherapiegesetz (15 UE)
E.2.2 Sozialversicherungsgesetz (15 UE)
E.2.3 Weitere Gesetze des Gesundheits- und Sozialwesens (15 UE) 

* 1 UE = 45 Minuten

Praxis (550 UE)

F.1. Einzel- oder Gruppenselbsterfahrung (50 UE**)
F.2. Praktikum (480 Std***)
F.3. Praktikumssupervision (20 UE**)

* 1 UE im Theoretischen Teil = 45 Minuten
** 1 UE im Praktischen Teil = 50 Minuten
*** Im Praktikum = 60 Minuten


Schulentag

Ein wesentlicher Punkt für die Wahl des anschließenden Fachspezifikums ist unser "Schulentag", der jedes Semester zwei Mal stattfindet. Es handelt sich dabei um eine ganztätige Veranstaltung, bei der zu Beginn ein Video einer realen Patient*in bzw. Klient*in und einer Psychotherapeut*in beim Erstgespräch gezeigt wird (natürlich unter strengsten Kriterien der Freiwilligkeit, Anonymität und Verschwiegenheit). Am Schulentag sind ebenso Psychotherapeut*innen aus allen vier therapeutischen Schulen anwesend.

In Kleingruppen reflektieren unsere TeilnehmerInnen unterstützt von den Psychotherapeut*innen das gezeigte Fallbeispiel aus der Sicht der verschiedenen Methoden. Die Ergebnisse aller vier Gruppen werden vor dem Plenum vorgetragen. Dies bietet die Möglichkeit, Spezifika, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der großen Therapieschulen zu besprechen. Die Veranstaltung soll die TeilnehmerInnen durch die Gruppenarbeit und die Gegenüberstellung darin unterstützen, die für sie passende fachspezifische Methode zu finden.