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COMPETENCE

Ausgabe 01/17

SPECTRUM 4

in derzeit realistisches und

aktuelles Szenario bei öster­

reichischen Behörden: Ein

Flüchtling steht vor einem

Asylverfahren und will be­

weisen, dass er in seinem Herkunftsland tat­

sächlich verfolgt wurde. In seiner Anhörung

sind Details über seine Situation im Her­

kunftsland sowie zur Flucht essenziell. Bei

der Befragung steht ihm einE DolmetscherIn

zur Seite, der/die seine Worte den zuständi­

gen Personen der Behörde dolmetscht. Wird

die Dolmetschung nicht professionell durch­

geführt, kann dies den Asylbescheid beein­

flussen. Nicht weniger von Bedeutung sind

bestens qualifizierte DolmetscherInnen auch

bei der Verständigung u.a. mit ÄrztInnen

oder LehrerInnen. Missverständnisse können

gerade hier weitreichende Konsequenzen

haben.

WEITERBILDUNG HEBT QUALITÄT

Mira Kadric-Scheiber, wissenschaftliche Lei­

terin des Universitätslehrgangs„Dolmetschen

für Gerichte und Behörden“ und Professorin

am Zentrum für Translationswissenschaft der

Universität Wien, weiß um die wichtige Rolle

der DolmetscherInnen. Denn sowohl für die

Institutionen als auch für die betroffenen

Personen an sich gewährleistet eine rei­

bungslose Verständigung die erforderliche

(Rechts-)Sicherheit. „Ich sehe die Einrichtung

des Universitätslehrgangs als gesellschafts­

politische Notwendigkeit“, sagt Kadric-Scheiber, denn nicht alle Sprachen sind aktu­

ell im Dolmetschstudium so umfassend

berücksichtigt, um auf die derzeitige Situa­

tion zu reagieren. Dem schließt sich auch der

Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner an, der

in seiner Kanzlei zunehmend von den Aus­

wirkungen berichten kann. Er zeigt auf, dass

bei nicht adäquat qualifizierten Personen die

Möglichkeit besteht, dass diese sich von

der Dolmetschsituation beeinflussen lassen.

„Anstatt sich der Übertragung des Gesagten

zu widmen, stellen sie Rückfragen und versu­

chen so, die perfekte Antwort zu erzielen“,

meint Lahner.

SPEZIALISIERUNG FÜR

BEHÖRDEN UND GERICHTSWESEN

Die Universität Wien reagiert mit dem berufs­

begleitend aufgebauten Weiterbildungs­

programm „Dolmetschen für Gerichte und

Behörden“. Damit sollen vor allem Dolmet-

scherInnen sowie Personen mit einschlägigen

Quellberufen erreicht werden, die sich das

nötige Rüstzeug für das Dolmetschen in Be­

hörden und Gerichten aneignen möchten. In

einem ersten Schritt gibt es 30 Studienplätze

für DolmetscherInnen in Arabisch, Dari/Farsi

und Türkisch, jeweils in Kombination mit

Deutsch. Der Universitätslehrgang geht im

Speziellen auf Situationen in polizeilichen

und gerichtlichen Verfahren sowie im Ge­

sundheits- und Bildungssystem ein. Personen

mit abgeschlossenem Studium bietet dies die

Möglichkeit derWeiterbildung bzw. eine neue

berufliche Perspektive.

E

NEUE MEDIEN VERLANGEN

GUTE VORBEREITUNG

Eine weitere Entwicklung im Bereich des

Dolmetschens besteht darin, dass Dol­

metscherInnen immer häufiger (sowohl aus

Zeit- als auch Kostengründen) per Video­

konferenz zugeschaltet werden. Dass dies

ein komplett anderes Arbeiten bedeutet,

weiß Ivana Havelka. Sie ist Spezialistin für

Videodolmetschen und Lektorin im Zertifi­

katskurs „Dolmetschen mit neuen Medien“,

der an der Universität Wien 2017 neu startet:

„Ich muss darauf achten, dass alle Personen

im Bild sind, dass der Blickwinkel passt, dass

ich nonverbale Signale nicht verpasse, etc.“

Dolmetschen sei bereits eine komplexe

Kommunikationssituation, der Einbezug

neuer Techniken würde dies nochmals ver­

komplizieren. „Alles geht viel schneller“, sagt

Havelka und vergleicht es mit dem Umstieg

vom normalen PKW ins Rennauto. Wer dem

Stress des Rennens gewachsen sein will,

sollte zumindest gut vorbereitet sein.

Professionelle

DolmetscherInnen

schaffen

Rechtssicherheit.

Mira Kadric-Scheiber

DIE PROFESSIONALISIERUNG

DES DOLMETSCHENS

Dolmetschen ist heute relevanter denn je, qualifizierte

DolmetscherInnen sind in manchen Sprachkombinationen

Mangelware. Die Universität Wien reagiert mit zwei

praxisnahen Weiterbildungsprogrammen.

Die Universität Wien bietet seit

Herbst 2016 den Universitätslehrgang

„Dolmetschen für Gerichte und

Behörden“ in den Sprachen Arabisch,

Dari/Farsi oder Türkisch an. 2017

startet der Zertifikatskurs „Dolmetschen

mit neuen Medien“. Unterstützt werden

die beiden Weiterbildungsprogramme

von der UNIVERSITAS Austria –

Berufsverband für Übersetzen

und Dolmetschen.

NEUE SPRACH-

WELTEN