Ausgabe 01/17
COMPETENCE
25
PRO & CONTRA
Die Kategorien „Pro“ und „Contra“ sind in
ihrer intendierten Polarisierung zu verein
fachend, um der Komplexität der modernen
Arbeitswelt gerecht zu werden. Vielmehr ist
die Frage zu stellen, wie die Veränderungen
zu gestalten sind, dass sie die Zielsetzung
einer hohen Produktivität bei gleichzeitig
hoher Qualität des Arbeitslebens erfüllen. Ein
„Contra“ ist in Bezug auf den Erste Campus,
der meiner Kenntnis nach eine imVergleich zu
derartigen Projekten besonders gelungene
Umsetzung einer neuen Form des Arbeitens
darstellt, nicht angebracht. Wir wissen aber
auch, dass viele Projekte in diesem Bereich
scheitern bzw. nicht zu den gewünschten
Zielen führen. Warum ist das so?
Die Einführung von neuen Bürokonzep
ten, die derzeit von zahlreichen Dienstleis
tungsunternehmen in der gesamten west
lichen Welt umgesetzt wird, ist weit mehr als
nur eine architektonische Veränderung. Die
sehr oft umgesetzten „Zonenkonzepte“ mit
ansprechender architektonischer Gestaltung
ermöglichen im optimalen Fall ein bedürfnis
gerechtes und produktives Arbeiten, indem je
nach spezifischer Arbeitsanforderung von
jedem/r einzelnen MitarbeiterIn eine optima
le Arbeitsumgebung gewählt werden kann.
Die Einführungen solcher Bürokonzepte, die
nur auf architektonische Aspekte und Kosten
reduktion fokussieren, scheitern allerdings
häufig. Um ein derartiges Konzept erfolgreich
umzusetzen, muss zuerst erkannt werden,
dass es sich hier um eine sehr weitreichende
organisatorische Veränderung handelt. So
müssen die Prozesse und Arbeitsabläufe ge
nau analysiert und gegebenenfalls auch an
gepasst werden, um auf dieser Grundlage ein
optimales Arbeiten in verschiedenen Arbeits
zonen zu ermöglichen. Besonders die Kom
munikation in den Unternehmen ändert sich
durch neue Bürokonzepte weitreichend. Dies
muss bereits bei der Planung erkannt und
durch entsprechende Organisations- und Ge
staltungsmaßnahmen berücksichtigt werden.
Für eine gelungene Umsetzung muss auch
die Unternehmenskultur passend für die
neuen Formen des Arbeitens sein. Wenn sich
beispielsweise Führungskräfte in offenen Ar
beitsumgebungenvonihrenMitarbeiterInnen
abgrenzen, indem sie als einzige in konventio
nellen Büros verbleiben, wird ein derartiges
Projekt vermutlich nicht gelingen.
Werden moderne Arbeitswelten allerdings
bedürfnisorientiert geplant, können sie sehr
positiv sowohl für die MitarbeiterInnen als
auch für die Unternehmen sein. Eine Leitlinie
für eine mitarbeiterInnenorientierte Planung
ist die Selbstbestimmungstheorie (Ryan &
Deci 2000). Gute Arbeitsplätze – im Sinne ei
ner hohen Produktivität bei einer gleichzeitig
sehr hohen subjektiven Qualität des Arbeits
lebens – sind nach dieser Theorie solche, die
unsere Bedürfnisse nach Kompetenz, nach
Autonomie und nach sozialer Einbindung
erfüllen. Bei einer gelungenen Umsetzung er
möglichen neue Bürokonzepte Kompetenz
entwicklungdurch entsprechendeGestaltung
der Arbeitsaufgaben, Autonomie durch die
freie Wahl der Arbeitsumgebungen und sozi
ale Einbindung durch die Schaffung neuer
Formen von Kommunikation.
CHRISTIAN KORUNKA
Jahrgang 1959, ist Professor für
Arbeits- und Organisations-
psychologie an der Fakultät für
Psychologie der Universität Wien.
Seine Forschungsschwerpunkte sind
Arbeit imWandel, neue Formen der
Arbeit und neue Anforderungen in
der Arbeitswelt; zahlreiche inter
nationale Veröffentlichungen und
Vorträge in diesen Bereichen.
WEB:
ao-psy.univie.ac.atBedürfnisorientierte
Gestaltung bildet einen
Eckpfeiler der neuen
Arbeitswelt.
Christian Korunka