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COMPETENCE
Ausgabe 01/17
ROUND TABLE
NEUES BRAUCHT ZEIT
„Offen für Neues“ lautet das Motto der Universität Wien.
Aber wie kommt das Neue in die Welt? Am runden Tisch
diskutieren unter der Moderation von Heidi Aichinger
(Chefredaktion von Forbes Austria) die Expertin für Deutsch
als Fremdsprache Renate Faistauer, Risikoforscher Thomas
Glade, Dolmetschdidaktikerin Mira Kadric-Scheiber und
Alterssoziologe Franz Kolland.
G
ehört das Neue
den Jungen?
FRANZ KOLLAND:
Das Al-
ter gilt als die Lebensphase,
in der nichts Neues mehr ge-
schieht. Das ist auch ein Vorwurf aus den USA
gegenüber Europa: zu viele alteMenschen, kei-
ne Innovationsfähigkeit. Ich sehe das anders.
Denken Sie nur an die Robotik: Der rasende
Fortschritt in diesemGebiet kommt, zugespitzt
gesagt, über die Alten – nämlich in Zusammen-
hang mit der Pflege.
THOMAS GLADE:
Aber wer baut die Pflege-
roboter? Doch eher die jungen Menschen. Es
braucht initiale Ideen und die Erfahrung der
älteren Generation, aber der Nachwuchs eröff-
net neue Zugänge. Das ist hier an der Universi-
tät nicht anders: In meinemTeam zum Beispiel
bringen die DoktorandInnen Programmier-
kenntnisse mit, da kann ich kaum mehr mitre-
den. Aber dasTeamprofitiert ungemein davon.
MIRA KADRIC-SCHEIBER:
Damit etwas
Neues entsteht, braucht es nicht nur die initiale
Idee, sondern auch Menschen, die damit wei-
ter arbeiten, die einen Nutzen von der Umset-
zung haben. Alle Beteiligten müssen einge-
bunden werden. Und so würde ich die Alten
und die Jungen zusammen sehen, in allen Be-
reichen, die mit oder für Menschen arbeiten.
RENATE FAISTAUER:
Die Lernforschung
zeigt: Es ist ein Mythos, dass man ab einem be-
stimmten Alter nichts Neues mehr
lernen kann. Aber: Kinder lernen an-
ders als Erwachsene – das muss im
Unterricht berücksichtigt werden.
Darüber hinaus spielt Zeit eine
Rolle: Es macht einen Unter-
schied, ob ich jeden Tag in der
Schule sitze oder nur einmal in
der Woche im Sprachkurs.
In Ihrer eigenen Forschung:
Entsteht Neues von innen
heraus oder durch äußere
Impulse?
GLADE:
Innovation kommt
aus verschiedenen Richtungen.
Der Forscher ist ja deshalb einer,
weil in ihm ein Feuer brennt. Aber
wenn ich mir z.B. die EU-Rahmen-
programme anschaue: Sie geben
klare Themen vor, die aus Anwender-
sicht interessant sind. Wenn nun der
oder die Forschende erfolgreich sein
möchte, im Sinne einer Drittmitteleinwer-
bung – was man wiederum seitens einer Uni-
versität forcieren kann –, dann wird er oder sie
versuchen, in Richtung der ausgeschriebenen
Themen innovativ zu sein.
FAISTAUER:
Ein Beispiel für etwas Neues,
das meinen Forschungsbereich von außen ver-
ändert hat, ist der gemeinsame europäische
Referenzrahmen, der u.a. auch den Sprachun-
terricht europaweit vergleichbar machen will.