50
COMPETENCE
Ausgabe 01/17
DAS (EWIG) NEUE
IM STEUERRECHT
Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, wissenschaftliche Leiterin des Masterprogramms
„Steuerrecht und Rechnungswesen (LL.M.)“, über laufend neue Entwicklungen,
deren Konsequenzen und die Anforderung, stets am Ball zu bleiben.
Als Professorin für Steuerrecht bin ich auto
matisch ständig mit „Neuem“ konfrontiert.
Steuern belasten jedermann und jederfrau
und sind daher für praktisch alle ein Thema,
von dem sie persönlich betroffen sind. Fast
jedeR SteuerzahlerIn hat subjektiv das Gefühl,
viel oder zu viel an Steuern entrichten zu
müssen, obwohl das Aufkommen in Summe
in der Regel nicht ausreicht, um schuldenfrei
den öffentlichen Haushalt zu bedienen. So
wohl die subjektive Betroffenheit der Steuer
zahlerInnen und WählerInnen als auch der
Druck der leeren öffentlichen Kassen bewir
ken, dass die Steuern – und damit das Steuer
recht – eine höchst dynamische Materie sind.
Es gibt daher ständig Neues: in den meisten
Fällen neue Steuern und Belastungen, manch
mal auch neue Entlastungen.
Bei Steuerentlastungen, die sich oftmals ge
gen Ende einer Legislaturperiode einstellen,
stellt sich allerdings immer die Frage, ob„wir“,
d.h. der öffentliche Haushalt samt den dahin
terstehenden SteuerzahlerInnen, uns die Ent
lastung auch tatsächlich leisten können. Ist
dies nicht der Fall, kommt es – den einfachen
Gesetzen der Haushaltslogik folgend – zuerst
zu zusätzlichen Schulden und in der Folge zu
zusätzlichen Steuerbelastungen. Eine Steuer
entlastung, die nicht von entsprechenden
Gegenfinanzierungsmaßnahmen getragen ist,
führt daher zwangsläufig zu Steuererhö
hungen und damit zu „Neuem“ – entweder
neuen Steuereinnahmen bereits 2016 und
2017 ausreichend„sprudeln“. Ist dies nicht der
Fall (und davon gehen fast alle aus), gibt’s
bald etwas Neues: neue Steuern, um die bis
dahin „alte“ Steuerentlastung aus der Steuer
reform 2015/16 zu finanzieren.
In meiner Funktion an der Universität Wien
gilt es, die neuen steuerlichen Vorschriften
stetig wissenschaftlich aufzuarbeiten und die
neuen Gegebenheiten natürlich in die Lehre
mit einfließen zu lassen. „Lifelong Learning“,
das heißt Weiterbildung nach einem Erst
abschluss und nach eventuell einigen Jahren
bereits in der beruflichen Tätigkeit, ist für
jedeN SteuerrechtlerIn daher ein Muss.
Sabine Kirchmayr-Schliesselberger ist Vorstän-
din des Instituts für Finanzrecht der Universi-
tät Wien und wissenschaftliche Leiterin des
Masterprogramms „Steuerrecht und Rech-
nungswesen (LL.M.)“. Ihre Forschungsschwer-
punkte liegen in der Besteuerung der natio-
nalenund internationalenKapitalveranlagung,
der internationalen Konzernbesteuerung sowie
der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Sie
war 2012 Mitglied der Steuerreformkommissi-
on im Bundesministerium für Finanzen. 2015
wurde sie von der Tageszeitung Die Presse, der
ifa Finanzgruppe und demWirtschaftsblatt als
beste Steuerberaterin des Jahres im Bereich
Banken und Finanzdienstleister ausgezeichnet.
sofort oder zeitverzögert, allenfalls als erste
Maßnahme nach den nächsten Wahlen.
Wobei die angeführte Mechanik, Steuern zu
erst ungedeckt zu senken und idF wieder zu
erhöhen, nichts Neues ist.
Auch in der laufenden Legislaturperiode gab
es viel Neues im Steuerrecht. Es wurde die
große Steuerreform 2015/2016 verabschie
det: Im Zentrum stand dabei eine Tarifreform,
die für fast alle der Lohn‐ und Einkommen
steuerpflichtigen eine ebenso neue wie spür
bare Entlastung bringen sollte. Die Gegenfinan-
zierung dieser Steuerreform sollte in einem
beträchtlichen Ausmaß (man errechnete
1,9 Mrd. Euro jährlich) aus der Bekämpfung
von Steuer- und Sozialbetrug kommen. Das
sollte im Steuerrecht eigentlich nichts Neues
sein. Dazu wurde eine allgemeine Registrier
kassenpflicht bei Bargeschäften sowie eine
allgemeine Belegerteilungspflicht neu ein
geführt und sogar die heilige Kuh „Bankge
heimnis“ zwar nicht zur Gänze geschlachtet,
aber doch empfindlich tranchiert. Ob die
neuen Steuerbesen gut genug kehren, um
das kalkulierte Gegenfinanzierungsaufkom
men zusammenzufegen, wurde von Anfang
an bezweifelt. Im Hinblick auf die schlep
pende Einführung der Registrierkasse und der
damit verbundenen Belegerteilungspflicht ist
es aber mehr als fraglich, ob die notwendigen
SELFNESS
Foto: Fotostudio Andorfer