uniMind|Lecture

"Arbeit im Wandel: Chancen und Herausforderungen in der modernen Arbeitswelt"

Univ.-Prof. Dr. Christian Korunka
Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft, Universität Wien

hosted by Wirtschaftskammer Wien

» Die Vortragsunterlagen als Download

Im Rahmen der uniMind|Lecture am 25.11.215 diskutierte Christian Korunka vom Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien, wie der Wandel der Arbeitswelt aus psychologischer Sicht zu bewerten ist. Mit einem mitreißenden Vortrag gab der Wirtschaftspsychologe den Auftakt zum uniMind|Projektjahr 2015/16 zum Thema "Gesellschaft im Wandel".

Das herkömmliche Arbeitsmodell, das eine 40-Stunden-Woche, Arbeitszeiten von Nine-to-Five und einen konstanten Arbeitsort umfasst, erodiert. Mobil, flexibel, entgrenzt sind jene Schlagworte, die bereits heute viele Arbeitsverhältnisse charakterisieren. Wohin entwickeln sich Unternehmenskulturen, Arbeitsumwelten und -bedingungen? Welche Auswirkungen haben neue Arbeitsformen auf die Qualität des Arbeitslebens? Und unter welchen Bedingungen führt Arbeit zu steigender Zufriedenheit oder auch zu zunehmender Belastung?

Soziale Beschleunigung

Die Entwicklung von der Industriearbeit hin zur Dienstleistungsarbeit war mit grundlegenden Veränderungen und dem Aufkommen neuer Stressfaktoren verbunden. Anstelle von standardisierten Arbeitsprozessen trat eine flexibilisierte Arbeitsorganisation, materielle Produktionsmittel wurden zunehmend von der Wissensarbeit abgelöst und wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen schrittweise abgebaut. Die Globalisierung führte zu wachsendem Wohlstand, aber auch zu steigendem Wettbewerb und einer Verlagerung von Kooperation zu Konkurrenz.

"Gegenwartsschrumpfung" und "Zukunftsexpansion"

Begleitet wurden diese Entwicklungen von einer zunehmenden Arbeitsplatzunsicherheit und einer veränderten Zeitwahrnehmung, die der Philosoph Hermann Lübbe als "Gegenwartsschrumpfung" bezeichnet: steigende Unsicherheit führt dazu, dass das Gegenwartserleben verkürzt wird, immer knapper werdende Innovationsraten in Forschung, Entwicklung und Technik lassen die Zukunft näher, aber auch ungewisser erscheinen. Die Zukunftszeiträume, auf die wir gegenwärtige Entscheidungen beziehen müssen, weiten sich aus.

Folge dessen ist, dass Arbeit zunehmend subjektiviert wird. Selbst-Kontrolle, Selbst-Ökonomisierung und Selbst-Rationalisierung sind einige jener Prozesse, die mit diesen Entwicklungen in Verbindung stehen: Externe Kontrolle wird verstärkt nach innen verlagert, eigene Leistungen müssen vermarktet werden, die eigene Lebensführung wird unternehmerischen Prinzipien unterworfen – Stichwort „Ich-AG“.
Dies führt letztlich zu neuen Anforderungen: technologische Entwicklungen führen zur Arbeitsintensivierung, steigende Autonomie wird zur Herausforderungen, Wissen und Fähigkeiten müssen permanent aktualisiert und erweitert werden. All diese Anforderungen sind grundsätzlich positiv, der Grat zur Belastung ist allerdings schmal. Rasch kann das positive Gefühl der eigenen Leistungsfähigkeit und des Empowerments durch Arbeit in emotionale Erschöpfung kippen.

New Ways of Working

Doch nicht nur Arbeitsanforderungen haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert, auch die Arbeitsbedingungen unterliegen einem Wandel. Die Entwicklung neuer Kommunikationsformen ermöglicht zeitliche wie örtliche Flexibilität. Diese neuen Freiheiten beinhalten positive wie negative Effekte: zum einen können Arbeitszeiten effektiver genutzt und Arbeit und Freizeit in eine ausgeglichene Balance gebracht werden. Zugleich drohen Entgrenzungsphänomene zu einem steigenden Arbeitsdruck, überlangen Arbeitszeiten, Konflikten zwischen Arbeit und Freizeit und zu sozialer Isolation zu führen.

Blended Working

In den vergangenen Jahren befasste sich eine Vielzahl von Unternehmen mit der Frage, wie Arbeitsumgebungen räumlich gestaltet werden können, um dem "Need supply fit" ihrer MitarbeiterInnen bestmöglich zu entsprechen. Besonders bewährt hat sich in diesem Zusammenhang das Zonenkonzept, das eine offene Anordnung von Arbeitsplätzen in unterschiedlichen Arbeitszonen (konzentriertes Arbeiten, Call-Boxes, Kommunikationsräume, etc.), verbunden mit hoher zeitlicher Flexibilität der MitarbeiterInnen, vorsieht.

Abschließend definierte Christian Korunka drei Grundbedürfnisse in der modernen Arbeitswelt:

  • Autonomie – Selbstbestimmung: Zugesprochene Autonomie geht Hand in Hand mit einem Vertrauensvorschuss, der meist die intrinsische Motivation von MitarbeiterInnen fördert und sich positiv auf das Arbeitserleben auswirkt. Autonomie kann aber auch überfordern und braucht klare Grenzen.
  • Soziale Eingebundenheit ist eine wichtige Ressource. Neue Office-Konzepte sind gefordert, trotz zeitlicher und örtlicher Flexibilisierung Strukturen für den persönlichen Austausch und informelle Kommunikation zu schaffen.
  • Kompetenz – Wirksamkeit: Zeitliche und räumliche Autonomie ermöglicht Lernen und Entwicklung nach eigenen Vorstellungen und befriedigt das Bedürfnis nach Kompetenzerweiterung in (vielleicht zu) hohem Maß.

Bei allen drei Grundbedürfnissen geht es stets darum, so Christian Korunka, auf die richtige Balance zu achten. Neue Grenzen müssen in einer entgrenzten Arbeitswelt definiert werden.